Sicheres Radfahren bei Dunkelheit – im Einklang mit dem Insektenschutz
Zwischen Lichtverschmutzung und Verkehrssicherheit: Wie die Straßenbeleuchtung gestalten, dass Radfahrende ausreichend sehen und gut zu sehen sind und zugleich der Naturschutz berücksichtigt ist? Praxistaugliche Kompromisse sind gefragt.
Viele Radfahrerinnen und Radfahrer wünschen sich bei Dunkelheit eine gute Beleuchtung der Straßen und Wege. Sie trägt zu mehr sozialer Sicherheit bei und hilft, den Weg und darauf vorhandene Hindernisse sowie andere Verkehrsteilnehmer*innen besser wahrnehmen zu können – bei völliger Dunkelheit ist insbesondere die Begegnung mit Fußgänger*innen ohne Beleuchtung eine häufige Gefahrensituation. Andererseits wissen wir, dass zu viel Beleuchtung schädlich für viele Tierarten, vor allem für Insekten ist. Es gibt mittlerweile eine landesweite Regelung, die Beleuchtung außerorts nur noch in Ausnahmen zulässt.
Vorbemerkung: Wer abends um 23 Uhr noch unterwegs ist, kann sich in der Regel auf dunkle Wege einstellen und seine eigene Beleuchtung „aufrüsten“. Es geht bei der Diskussion über eine angemessene Beleuchtung vor allem um „normale“ Tageszeiten; in einem Teil des Jahres ist es am frühen Abend schon längst dunkel – zu einer Zeit, in der auch Kinder und Jugendliche häufig noch unterwegs sind, z.B. auf dem Rückweg von Betreuungseinrichtungen oder außerschulischen Veranstaltungen wie Sport im Verein, Jugendrat oder ähnlichem. Zu diesen Zeiten ist eine ausreichende Beleuchtung der entsprechenden Wege kein Luxus, sondern erforderlich, damit sie von Radfahrer- und Fußgänger*innen sicher genutzt werden können.
Wir vom ADFC Stuttgart schlagen daher zwischen der Notwendigkeit einer ausreichenden Beleuchtung und dem Insektenschutz die folgende Kompromisslinie vor, die wir mit BUND und NABU Stuttgart abgestimmt haben.
1. Dort, wo eine Beleuchtung erforderlich ist, sollte sie insektenfreundlich ausgeführt werden:
- Nicht übermäßig hell.
- Rötlicher Farbton („bernsteinfarben“).
- Keine Strahlung nach oben und zur Seite, nur der Weg soll beleuchtet werden.
- Erst einschalten, wenn es wirklich fast dunkel ist, nicht schon mitten in der Dämmerung.
- An innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen sollte der Fokus stets auf den Gehwegen und Radwegen liegen, die Kfz-Fahrbahnen müssen nur an Querungsstellen hell beleuchtet sein.
2. Die Beleuchtung muss nicht die ganze Nacht über leuchten. An verschiedenen Strecken sind unterschiedliche Leuchtdauern vorzusehen:
- Wenn es um Schülerverkehr geht und keine geeignete Alternativroute vorhanden ist, sollte die Dauer bei 7 bis 21 Uhr liegen, wodurch die Beleuchtung im Sommer längere Zeit ganz ausgeschaltet bleiben kann.
- Längere Dauern und ggf. hellere Beleuchtung sind dort erforderlich, wo man sich ggf. aufhalten muss, z.B. an Haltestellen und an Ampeln (über das Licht der Ampel hinaus).
- Es sollten vor und einige Zeit nach der Veränderung der Beleuchtung Radverkehrs-Zählungen bei Dunkelheit durchgeführt werden, die bezüglich Wetter und anderen Umständen miteinander vergleichbar sind. Sollte sich ein nennenswerter Rückgang des Radverkehrs herausstellen (was mutmaßlich eine Zunahme des Pkw-Verkehrs bedeutet), muss nachjustiert werden.
3. Überall, wo es keine durchgängige Beleuchtung gibt, müssen dafür anderweitige Vorkehrungen getroffen werden, dass Gefahrenstellen vermieden und die Wege besser sichtbar werden. Wenn eine Beleuchtung (zeitweise) abgeschaltet wird, sind folgende Maßnahmen zuvor umzusetzen:
- Retroreflektierende Randmarkierungen an den Wegen, möglichst beidseitig. Die Wege sind sauber zu halten, die Randmarkierung muss stets durchgängig gut sichtbar sein.
- Im Falle von nicht asphaltierten Wegen können ersatzweise auch Rückstrahler neben dem Weg installiert werden. Auch diese müssen instandgehalten werden.
- Die Oberfläche muss stets in gutem Zustand gehalten werden. Das gilt selbstverständlich auch bei Wegen mit Beleuchtung, das gilt ohne Beleuchtung aber verstärkt. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass es keine überraschenden punktuellen Schäden wie Schlaglöcher oder Wurzelschäden gibt.
- Es darf keine Einbauten auf oder unmittelbar neben den Wegen geben, insbesondere keine Steinblöcke oder derartiges. Wenn in Einzelfällen Poller zur Abweisung unberechtigter Fahrzeuge erforderlich sind, sind diese gut sichtbar und aus nachgiebigem Material auszuführen. Zur guten Sichtbarkeit gehören sowohl eine vollflächige Einfärbung (weiß-rot oder ggf. weiß-grün) als auch eine sehr auffällige Bodenmarkierung (gemäß Musterlösung RadNetz: 5 m lang je Seite, mit Schraffur). Weder die in Stuttgart üblichen einfachen, nur 2 m langen Markierungen, noch farbige Banderolen um graue Pfosten sind ausreichend!
- Auch in architektonisch sensiblen Bereichen muss dies alles zur Sicherheit uneingeschränkt eingehalten werden.
- An straßenbegleitenden Zweirichtungsradwegen ist jeweils zu prüfen, ob ein Blendschutz erforderlich ist, und dieser ist bei Bedarf anzubringen – besonders wenn das Niveau des Weges unterhalb des Niveaus der Fahrbahn liegt.