Stellungnahme des ADFC Stuttgart u.a. zum EM Radverkehrskonzept
Der ADFC findet, dass die Stadtverwaltung mehr für den Radverkehr während der EM tun könnte. Außerdem fordern wir die schnellstmögliche Einrichtung einer Bus-Rad-Spur in Bad Cannstatt. Die neue Planung zu den Otto-Hirsch-Brücken finden wir gut.
Stellungnahme des ADFC Stuttgart zu dem EM Radverkehrskonzept, der Bus-Rad-Spur in Bad Cannstatt sowie der Vorplanung der Otto-Hirsch-Brücken
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher Löffler,
sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher Freier,
sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher Latzel,
im Folgenden unsere Positionen zu drei aktuellen Themen:
EM Radverkehrskonzept
Die Debatte im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen zum Radverkehrskonzept während der EM am vergangenen Freitag verlief für den ADFC und viele Radfahrende in Stuttgart enttäuschend, ja ging aus unserer Sicht in weiten Teilen sogar am Thema vorbei. Es geht nicht darum, wie viele Besucher*innen mit dem Fahrrad aus z.B. Frankreich zur EM kommen, sondern das Radverkehrskonzept für diese Zeit muss sicherstellen, dass Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger und potentielle Wähler*innen während der vier EM-Wochen weiterhin mit dem Fahrrad zur Arbeit, zur Kita, zur Schule, zum Friseur, zum Sportverein oder zu anderen Alltagszielen fahren können. Die Diskussion hat uns leider erneut gezeigt, dass großen Teilen der städtischen Gremien der Beitrag der Radlerinnen und Radler zur Stauvermeidung in unserer Stadt nicht bewusst ist. Gerade aus diesem Grund kommt dem Aufrechterhalten der wichtigen Tallängsverbindung auf einer sicher geführten Radstrecke während der EM eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Aufforderung eines Mitglieds im Ausschuss, dann in diesen vier Wochen eben aufs Fahrradfahren zu verzichten, hinterlässt uns und viele radfahrende Wähler*innen sprachlos.
Selbstverständlich ist jedem Radfahrenden in Stuttgart bewusst, dass es in der Zeit der EM zu Einschränkungen auch im Radverkehr kommen wird. Daher spricht auch nichts gegen eine Umleitung. Die allerdings von der Stadtverwaltung in der Ausschusssitzung präsentierte Umleitung der Hauptradroute via Urbanstraße und damit der Vorschlag, den Radverkehr über zwei völlig ungeeignete Straßenquerungen (am Landtag und am Neckartor) zu führen, die bereits im Normalbetrieb überlastet oder aufgrund der Ampelschaltung unzumutbar sind, halten wir für völlig inakzeptabel. Die zu kleinen Aufstellflächen an beiden Querungen lassen ohne Anpassungen keine sichere Führung der wichtigsten Hauptradroute zu.
Obwohl diese und weitere kritische Punkte auf der Strecke bekannt sind, präsentiert die Stadtverwaltung eine Umleitungsstrecke, die nun vier Wochen lang genutzt werden soll, jedoch keinerlei Verbesserungen aufweist gegenüber der bisher jeweils kurzzeitigen Nutzung dieser Strecke in der Vergangenheit (insbesondere bisher nur an Wochenenden). Das steht in eklatantem Widerspruch zur Zusage der Stadtverwaltung im letzten Sommer, sie würde Verbesserungen an der Umleitungsstrecke für Radfahrende prüfen. Der ADFC Stuttgart hat alle Problemstellen der geplanten Umleitungsstrecke analysiert und steht wie gewohnt für eine Diskussion möglicher Varianten und Verbesserungen zur Verfügung.
Insbesondere schlagen wir eine alternative Streckenführung des Radverkehrs auf einer Popup-Spur auf der bereits aktuell durch einen Bauzaun abgesperrten rechten Fahrspur zwischen dem Überweg am Stadtpalais und der Ulrichstraße vor. Die Querung der B14 am Stadtpalais bietet an dieser Stelle im Gegensatz zur Querung am Landtag eine ausreichend große Aufstellfläche. Ebenso werden gefahrenträchtige Situationen zwischen Radfahrenden und Fußgängern im gesamten Akademiegarten und am viel zu engen Übergang in die Ulrichstraße vermieden.
Am anderen Ende der Umleitung sollte die Weiterfahrt durch die Neckarstraße verbessert werden, was den Radfahrer*innen eine erneute Querung der B14 am Neckartor ersparen würde. Die Führung des Radverkehrs über die Neckarstraße entlastet zudem den Bereich des gesamten unteren Schlossgartens, in dem in dieser Zeit ebenfalls mit stark erhöhtem Fußverkehr gerechnet werden muss.
Die Umleitungsstrecke sollte daher aus unserer Sicht zwischen Kernerplatz und Neckarstraße bevorzugt über die Urbanstraße statt der Kernerstraße geführt werden. Dieser Abschnitt weist eine deutlich geringere Steigung auf. Dazu sollte an den Engstellen der Urbanstraße östlich des Kernerplatzes das Senkrechtparken aufgehoben werden, um etwas mehr Platz zu schaffen. In der Neckarstraße selbst wäre als Sofortmaßnahme die provisorische Einrichtung einer Fahrradstraße (Anlieger frei) möglich, und zwar im Abschnitt zwischen Hackstraße und Werderstraße, ebenso in der Gegenrichtung.
Zu kritisieren ist auch: Die Hauptradroute 1 verläuft stadteinwärts in Bad Cannstatt über die Elwert-, Kegelenstraße sowie Mercedesstraße. Im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen wurde jedoch berichtet, dass die Mercedesstraße an Spieltagen in Stuttgart voll gesperrt ist. Ist diese Strecke dann noch für Radverkehr freigegeben und befahrbar oder gibt es eine akzeptable Alternative? Eine Umleitung in Bad Cannstatt wurde nämlich im Ausschuss nicht präsentiert.
Bus-Rad-Spur auf der König-Karl-Straße (GRDrs 250/2024)
Die Bus-Rad-Spur sollte der Gemeinderat schnellstens beschließen. Außerdem sollte er auf eine vorzeitige Realisierung innerhalb von 6 Wochen rechtzeitig zur EM drängen. Denn es wäre schön die Stadtverwaltung würde im Rahmen der EM auch mal was positives für den Radverkehr tun. Es geht schließlich nur um Markierungsarbeiten und Beschilderung. Die Maßnahmen in den Seitenstraßen können auch noch nach der EM erfolgen. Busverkehr sowie Rettungs- und Einsatzfahrzeuge würden davon auch profitieren.
Vorplanung Otto-Hirsch-Brücken (GRDrs 253/2024)
Der ADFC findet die Vorplanung zu den Otto-Hirsch-Brücken grundsätzlich gut. Ebenfalls sehr positiv finden wir, dass die Stadtverwaltung an dem Knotenpunkt Otto-Hirsch-Brücken/Am Mittelkai erstmals eine Radverkehrsführung außerhalb des Kreisverkehrs in einem zweiten Ring erproben will. Allerdings haben wir hier einige Sicherheitsbedenken.
Durch die sehr enge Führung des Radverkehrs am Kreisel fährt der Radverkehr im "toten Winkel" von LKWs, die dort ebenfalls fahren werden. Außerdem ist für den Autoverkehr ein plötzlicher Richtungswechsel des Radverkehrs schwer vorherzusehen, weshalb wir einen Unfallhotspot befürchten. In den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA, Ausgabe von 2010) wird so eine winkelige Führung auch kritisch gesehen, siehe ERA Seite 56.
Stattdessen sollte der Radverkehr in einem echten Kreis geführt werden, sodass er senkrecht auf die Knotenpunkte trifft. Da es eventuell Probleme mit der Böschung gibt, sollte die Stadt den Bau einer Auskragung oder einer Stützmauer in Betracht ziehen. Außerdem sollten die Radfahrer*innen eine freie Wahl zwischen dem Radweg um den Kreisverkehr und der Fahrbahnnutzung erhalten. Hier haben wir das ganze mal skizziert:
<<Skizze siehe vollständige Stellungnahme unter Medien zum Artikel im blauen Kasten>>
Eine weitere Verbesserung wäre eine niveaugleiche Führung von Radverkehr und Fahrbahn ohne Bordstein neben den Zebrastreifen.
Viele Grüße
Tobias Willerding
Vorsitzender des ADFC Kreisverbands Stuttgart