Stellungnahme des ADFC zu verschiedenen Gemeinderatsdrucksachen

Der ADFC nimmt Stellung zu vier aktuellen Gemeinderatsdrucksachen, die die Mobilität in Stuttgart langfristig prägen werden. Dies betrifft den Klimamobilitätsplan, den Radweg am Wagenufer, den Bebauungsplan Staatstheater und die Schillerstraße.

Stellungnahmen des ADFC Stuttgart zu:
Klimamobilitätsplan (GRDrs 262/2023),
geplanter Radweg am Wasenufer (GRDrs 140/2023),
Bebauungsplan Württembergische Staatstheater (GRDrs 143/2024),
planerisches Zielbild Schillerstraße (GRDrs 156/2024)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrte Frau Bezirksvorsteherin Kienzle,
sehr geehrter Herr Bezirksvorsteher Löffler,

der ADFC Stuttgart bedauert es sehr, dass der UA Mobilität am 23. April aufgrund eines Mangels an Themen von der Verwaltung abgesagt wurde. Leider konnte auch eine Initiative unsererseits die Verwaltung nicht umstimmen. Dass am selben Tag Drucksachen in den Gemeinderat eingebracht werden, die die Mobilität in unserer Stadt auf Jahrzehnte prägen werden, hinterlässt bei uns einen bitteren Nachgeschmack. Daher gibt es unsere Position zu 4 aktuellen Gemeinderatsdrucksachen nun in ausschließlich schriftlicher Form:

Klimamobilitätsplan (GRDrs 262/2063):

Wir begrüßen es, dass der Klimamobilitätsplan jetzt endlich fertig ist. Die Maßnahmen 1 und 2 sind sehr positiv – leider ist davon erst ein Bruchteil geplant, geschweige denn umgesetzt. Da muss die Verwaltung jetzt endlich mehr Tempo aufnehmen. Die Personalstellen sind zwar politisch beschlossen, jedoch sind viele Stellen auch nach 4 Monaten noch nicht ausgeschrieben!

Der Klimamobilitätsplan soll Menschen zum Umstieg auf ÖPNV, Rad, Fuß oder E-Auto bringen. Leider sind in der Vorlage nur Pull-Maßnahmen und bestenfalls sanfte Push-Maßnahmen aufgelistet. Der Anwohnerparkausweis (Maßnahme 47) muss viel teurer werden, wie es auch andere deutsche Städte schon vorgemacht haben. Nur 10 bis 20% der öffentlichen Parkplätze können laut Maßnahme 49 mittelfristig aufgegeben werden? Das ist viel zu wenig! Wie soll da Platz für Fuß- und Radwege, Grün, Schwammstadt gefunden werden?

Bei der E-Mobilität muss man ganz klar sagen, dass das erfolgreichste Elektrofahrzeug in Stuttgart das Pedelec ist. Dagegen ist das am häufigsten zugelassene Elektroauto (Porsche Taycan) in Stuttgart weit abgeschlagen mit nur 1800 zugelassenen Fahrzeugen: https://www.stuttgart.de/service/aktuelle-meldungen/februar/pkw-bestand-in-stuttgart-sinkt-2023-bereits-das-dritte-jahr-in-folge.php

Das Thema Beleuchtung wird leider nur beim Fußverkehr erwähnt, ist aber auch für den Radverkehr super wichtig. Leider arbeitet das Amt für Umweltschutz seit Jahren daran, die Stadt zu einem Angstraum zu machen und möglichst viele Leute wieder zum Autofahren zu bekommen, indem es an vielen Stellen die Straßenbeleuchtung nicht zulässt oder wieder abschalten lässt. Beispiele gibt es unzählige im Stadtgebiet, z.B. Straßenbeleuchtung nach Büsnau (abgeschaltet) oder Hauptradroute 1 bei Heslach-Vogelrain, wo die direkt daneben verlaufende Straße beleuchtet ist, nur der Rad- und Fußverkehr ist im Dunkeln unterwegs.

Gar nicht erwähnt wird das Thema Straßenbelag. Hier zwingt das Amt für Umweltschutz dem Radverkehr am Neckar Pflasterbelag oder wasserdurchlässigen Asphalt auf, während die maximal versiegelte B10 am Neckar natürlich kein Problem ist.

Radweg am Wasenufer (GRDrs 140/2023)

Der ADFC Stuttgart begrüßt es, dass die Stadt Stuttgart es endlich geschafft hat, die Drucksache zum Radweg am Wasenufer fertigzustellen.

Aus Sicht des ADFC Stuttgart hat die Planung jedoch einen zentralen Mangel: die geplante Radwegbreite. Laut der Machbarkeitsstudie Radschnellverbindungen soll der Radschnellweg am Neckar eigentlich an der anderen Neckarseite neben der B10 verlaufen. Aber da der Gemeinderat ja die Überdeckelung der B10 möchte, um Stuttgart-Ost den Zugang zum Neckar zu ermöglichen, scheint eine Realisierung in sehr weiter Ferne (über 20 Jahre) und es stellt sich die Frage, ob es jemals so kommen wird. Deswegen wäre es besser, die aktuelle Planung am Wasenufer bereits als Radschnellweg mit 4 Metern Breite auszulegen.

Eine Umplanung würde das Projekt möglicherweise verzögern; aber angesichts der Tatsache, dass eine Fertigstellung ohnehin frühstens 2032 möglich ist, scheint uns dies verschmerzbar. Je früher umgeplant wird, desto geringer ist die daraus entstehende Verzögerung.

Zudem muss dieser Weg auch bezüglich der Oberfläche als Radschnellweg geeignet sein. Pflasterung oder rauer wasserdurchlässiger Asphalt wie auf dem aktuellen Weg oder wie neben der B10 sind nicht Radschnellwegestandard. Der Rollwiderstand muss mindestens so niedrig wie bei der B10 sein.

Darüber hinaus darf es nicht sein, dass der Weg gesperrt wird, nur weil Künstler auf dem Wasen nicht wollen, dass man umsonst vom Radweg "mithört". Diese Praxis muss auch beim heutigen Radweg unverzüglich beendet werden!

Wir bitten Sie daher, die folgende Ergänzung zu beantragen und zu beschließen:

1. Änderung der Planungen derart, dass der Radweg als Radschnellverbindung geeignet ist und den entsprechenden Standards in jeglicher Hinsicht entspricht.

2. Zudem bitten wir Sie, in einem extra Antrag auszuschließen, dass der (bestehende und künftig ausgebaute) Radweg wegen Veranstaltungen auf dem Wasen gesperrt oder eingeschränkt wird.

Bebauungsplan Württembergische Staatstheater (GRDrs 143/2024)

Es ist geradezu schockierend, dass dem Fuß- und Radverkehr ausreichend Platz an der B14 für Jahrzehnte verwehrt wurde und jetzt den württembergischen Staatstheatern einfach so ein Viertel der B14-Breite vor dem Gebhard-Müller-Platz zugesprochen werden soll. Dafür soll jetzt sogar die Stützmauer verschoben werden, ein Projekt, das ein Baustellenchaos wie schon die aktuelle Verlängerung der Unterfahrung hervorrufen wird und wo natürlich kein Platz für Fuß- und Radverkehr sein wird. Das massive Kulissengebäude, das in der Vorlage blumig als städtebauliche Aufwertung verkauft wird, verschlimmbessert das Ambiente an der Kreuzung ähnlich wie im Europaviertel.

Erst nachdem die Schillerstraße verkehrsberuhigt wurde (2040?) und das massive Kulissengebäude gebaut worden ist, scheint die Stadtverwaltung die Möglichkeit zu sehen, einen Radweg zu bauen. Dieser ist aber noch nicht mal 4 Meter breit laut Anlage 3 – und das auf der Hauptradroute 1 mit dem höchsten Radverkehrsaufkommen in Stuttgart!

<<Zeichnung siehe vollständige Stellungnahme unter Medien zum Artikel im blauen Kasten >>

Die B14-Zielplanung mit 4 Fahrstreifen ist ein Idealbild, das so nicht kommen wird. Wenn erst mal die verkehrliche Machbarkeit (von Büro Karajan?) untersucht worden ist, werden hier (inklusive Abbiegespuren) vermutlich 8 Fahrstreifen + Bussonderfahrstreifen geplant werden (siehe kürzliche Planung Heilbronnerstraße). Der Rad- und Fußverkehr, Bäume sowie Maßnahmen für die Schwammstadt dürfen sich dann noch um den Restplatz streiten – und jetzt will der Gemeinderat den württembergischen Staatstheatern noch mehr Platz für ein städtebaulich zweifelhaftes Kulissengebäude geben, sodass noch weniger Platz für Fuß- und Radverkehr übrig bleibt? Wenn der Gemeinderat das beschließt, sabotiert er die selbst gewünschte Umgestaltung der B14.

Deswegen sollte der Gemeinderat grundsätzlich beschließen:

1. Die Stützmauerverlegung wird nicht weiterverfolgt. Stattdessen plant die Stadtverwaltung die Zuschüttung der Unterfahrung Gebhard-Müller-Platz. Dadurch entsteht eine große ebene Verkehrsfläche, wo auch in allen zukünftigen Baustellenphasen genug Platz für alle Verkehrsarten bereitgestellt werden kann, Stichwort: Verkehrsfrieden. Ein Radweg an der Konrad-Adenauer-Straße wird im Rahmen dieser Baumaßnahme realisiert.

2. Die württembergischen Staatstheater bekommen keine öffentliche Verkehrsfläche. Die Flächen werden für breite Geh- und Radwege, Schwammstadt und allgemein mehr Grün in der Stadt benötigt.

Planerisches Zielbild Schillerstraße (GRDrs 156/2024)

Der ADFC Stuttgart begrüßt es, dass die Stadt Stuttgart endlich den Umbau der Schillerstraße angehen will. Allerdings ist die Verlegung der Bundesstraße in die Wolframstraße noch sehr weit weg. Daher sollte die Stadtverwaltung untersuchen, ob nicht schon früher ein Radangebot entlang der Schillerstraße geschaffen werden kann. Das Radfahren ist dort schon seit Jahrzehnten defakto nicht möglich. Diese Autopolitik muss endlich ein Ende haben!

Eine Möglichkeit wäre z.B. ein Zweirichtungsradweg an der Nordseite, um den Zweirichtungsradweg an der Heilbronner Straße mit dem gerade im Bau befindlichen Radweg an der Willy-Brandt-Straße zu verbinden.

Bei der Fahrradgarage sollten Funktionalitätsaspekte Vorrang vor gestalterischen Aspekten haben. Eine Verzögerung wie bei den Fahrradgaragen in einem exklusiven Stuttgart-Design brauchen wir nicht nochmal.

Viele Grüße
Tobias Willerding

Vorsitzender des ADFC Kreisverbands Stuttgart

https://stuttgart.adfc.de/pressemitteilung/stellungnahme-des-adfc-zu-verschiedenen-gemeinderatsdrucksachen

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